„Düsteres Verlangen“ (Bd.1) – Kenneth Oppel

Originaltitel: This Dark Endeavour | Autor: Kenneth Oppel | 384 Seiten | ISBN: 978-3-407-81121-9 | Hardcover 16,95 € | eBook 15,99 € | Beltz & Gelberg VerlagLeseprobe


1818 veröffentlichte Mary Shelley den Roman „Frankenstein“, der im Laufe der Jahre zu einem der bekanntesten in der fantastischen Literatur wurde. Was, ihr kennt die Geschichte nicht? Macht nichts, denn mit „Düsteres Verlangen“ erzählt Kenneth Oppel ein Prequel zu der Grusel-Story:

DüsteresVerlangen-Frankenstein-KennethOppel-BeltzGelberg-CoverDie 15-jährigen Zwillinge Victor und Konrad Frankenstein leben wohlbehütet zusammen mit ihrer Familie in einem Genfer Anwesen. Die beiden verbringen viel Zeit mit ihrer schönen Cousine Elizabeth, die bereits fast ihr ganzes Leben lang bei der Verwandtschaft wohnt. Eines Nachts entdecken die drei Jugendlichen im Hause Frankenstein eine geheime Bibliothek, in deren Büchern von alchimistischen und dunklen magischen Machenschaften die Rede ist. Victors Wissensdurst wird durch ein Verbot des Vaters Alphonse in die Schranken gewiesen und erst wieder durch ein „Elixier des Lebens“ geweckt, als sein geliebter Bruder Konrad von einem lebensgefährlichem Fieber ergriffen wird. Gegenüber den Ärzten ist Victor sehr misstrauisch und fest entschlossen, alles für seinen Bruder zu tun, auch wenn die geforderten Zutaten für das vermeintliche Wundermittel noch so bizarr sind. Gemeinsam mit Elizabeth und Freund Henry trifft er auf den mysteriösen Polidori, der mit seinem Wissen über das Elixier die einzige Hoffnung zu sein scheint. Auf der Suche nach den Zutaten erkennt Victor nicht nur, dass diese Aufgabe sein Leben fordert, sondern auch, dass er mehr für Elizabeth empfindet. Jedoch hat diese ihr Herz bereits dem kranken Konrad geschenkt. Ein aufregender Kampf zwischen Bruderliebe, Eifersucht und Leidenschaft beginnt – was wird siegen?

Kenneth Oppel steigt einige Tage vor Ausbruch des Fiebers in die Geschichte ein und beschreibt das Zusammenleben der Jugendlichen. Das gibt mir die Möglichkeit, die Protagonisten kennenzulernen, von denen mir die selbstsichere Elizabeth und der zurückhaltende Henry am sympathischsten sind. Auch die Umgebung und der Alltag der Vier werden großzügig mit einbezogen, sodass ich eine gute Vorstellung vom damaligen Lebensstil bekomme. Bis zur Hälfte des Buches verhindert der schnelle Szenenwechsel leider, dass sich eine aufkommende Atmosphäre festigen kann. Auch der Spannungslevel bleibt bis dahin konstant auf mittlerem Niveau.
Erst mit Eintritt des mysteriösen Alchimisten Polidori und der Entdeckung der zweiten Elixier-Zutat schleicht sich die Aufregung in meinen Körper. Unerwartete Wendungen und die dunkle Umgebung machen „Düsteres Verlangen“ zu einem Lesegenuss.

Die Entwicklung von Victor ist hervorragend in die Geschichte eingewoben und immer öfter wird deutlich, wie er von Herzensgüte zum Größenwahn überwechselt. Auch die unerwiderte Liebe zu Elizabeth gewinnt an den passenden Stellen immer wieder an Bedeutung. Aufgrund seiner Krankheit bekommt man von Konrad relativ wenig mit. Das ist allerdings nicht schlimm, weil ich ihn (und Victor) ohnehin recht unsympathisch finde. Trotzdem sind seine wenigen Auftritte interessant, denn sein Charme und Talent sowie seine Liebe zu Elizabeth lassen mich die Eifersucht von Victor noch deutlicher spüren.

Der Autor ist talentiert darin, die wissenschaftliche Forschung von damals einfach und verständlich zu beschreiben. Es ist amüsant zu lesen, dass der wissensdurstige Victor geschockt ist, als einer der Ärzte Konrads Blut untersuchen möchte. Denn was sollte er da schon sehen? Ähnliche Vorfälle und laienhafte Erklärungen banaler Dinge der heutigen Zeit verleihen dem Buch sogar etwas Liebenswürdiges.

Das absolut überraschende Ende hat mir sehr zugesagt. Wie von Anfang an erhofft, bin ich dadurch total neugierig auf die Originalgeschichte von Mary Shelleys „Frankenstein“ geworden. Kenneth Oppel beschreibt Victor so realistisch und angehend irre, dass ich ihn mir sehr gut als einen verrückten Wissenschaftler vorstellen kann. Auch, dass sich der Autor großteils der Originalcharaktere bedient und nur der Zwillingsbruder Konrad erfunden ist, macht dieses Buch zu einer wirklich gelungenen und originellen Vorgeschichte.

Nach einem etwas tristen Auftakt macht „Düsteres Verlangen“ seinem Namen alle Ehre. Die Charaktere sind wundervoll ausgearbeitet und realistisch beschrieben. Das letzte Drittel ist gespickt mit Spannung und einem komplett unerwartetem Ende, welches mich neugierig auf die Originalgeschichte gemacht hat.

Meine Wertung

sys_Bewertung-4

 

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Dein Kommentar:

8 Kommentare

  • Antworten lost pages Dienstag, 31. Juli 2012 um 18:13

    Eine wirklich tolle Rezension.
    Obwohl ich Oppel sehr gerne mag, werde ich dieses Buch wohl nicht lesen. Glaub das ist nichts für mich :)
    Lg Jan

  • Antworten his + her books Dienstag, 31. Juli 2012 um 18:39

    „angehend irre“ ;-)
    Sehr schön und anschaulich beschrieben… Ich bin immer noch am Überlegen, ob es etwas für mich ist… Aber deine Rezension ist toll!!!

    glg
    Steffi

  • Antworten Sky Dienstag, 31. Juli 2012 um 19:44

    Sehr schöne Rezension. Schön formuliert und anschaulich dargestellt ;) Gefällt mir wirklich gut und das Buch steht jetzt auch auf meiner Wunschliste.

  • Antworten Petzi Dienstag, 31. Juli 2012 um 22:42

    Das Buch interessiert mich zwar gar nicht, aber das weißt du ja schon :) Dafür aber eine sehr gut geschriebene Rezi :) Meine Dani eben :D

  • Antworten вℓаcк яєвєℓ Dienstag, 31. Juli 2012 um 22:48

    Wirklich schöne Rezi.
    Ich denke, ich selbst werde einfach mal reinlesen, falls ich es in meine Fingerchen kriege.. allein schon um herauszufinden, ob ich deine Meinung teilen würde ;)
    Immerhin empfindet man das selbst ja eigentlich immer eine wenig anders. :=)

  • Antworten KreaMa Mittwoch, 1. August 2012 um 12:06

    Danke für die tolle Rezi!
    Das Buch klingt interessant und könnte etwas für mich sein. Ich werde es mir auf jeden Fall mal näher anschauen.

  • Antworten Lilly Mittwoch, 1. August 2012 um 12:11

    Tolle Rezi!
    Das Buch scheint seine Leser zu begeistern. Dann hat es sich auf jeden Fall schon mal gelohnt. :)

    LG
    Lilly

  • Antworten Favola Donnerstag, 9. August 2012 um 21:30

    Hallo Daniela :-)

    Nachdem ich nun meine Rezi letzte Nacht auch fertig überarbeitet und online gestellt habe, muss ich mich mal ein bisschen umschauen, wie die anderen das Buch so fanden . . . Wie ich sehe, sind wir uns da ganz einig . . . Deine Rezi gefällt mir wirklich gut. Ich finde es toll, dass sie doch recht kurz und knackig ist. Daran sollte ich auch mal arbeiten ;-) Meine werden immer länger und länger . . .

    lG Favola